Abstracts 

Maria VAN DER SCHAAR 

(Universität Leiden, Niederlande)

https://www.universiteitleiden.nl/en/staffmembers/maria-van-der-schaar#tab-1

Titel: Urteil und Intentionalität bei Brentano (Judgement and Intentionality in Brentano)

In Psychologie vom empirischen Standpunkt Brentano writes that our acts of presentation are charactarised by the fact that they have a content. Examples of contents are a colour, such as the red as it appears to me, a tone or chimera, but also concepts (Begriffe) or characteristics (Merkmale), such as learned man. Such contents are not to be understood as Platonic ideas independent of the act of presentation; they rather seem to be part of the act.

Brentano thus clearly distinguishes between act and content, but does this also mean that he gives an account of intentionality?

The thesis that all thinking is essentially intentional can be understood in two ways:

  • all thinking is thinking of something that is independent of the act of thinking; or,
  • all thinking has a content, understood as something internal to the act of thinking.

Brentano's account of intentionality suits the second concept of intentionality (ii). His reason for this is that his account of intentionality has to be purely descriptive, and should not make any metaphysical claim about objects independent of our acts. Brentano does not have to introduce a realm of merely possible objects.

But then the question arises, how does Brentano account for the fact that we may be thinking of something that is independent of that act?

This question is answered by Brentano's existential account of judgement. Only when we claim that there exists something red, or that there exists a learned man, our acts have an object as understood in i.

Thus, Brentano is able to distinguish between the content and the object of an act of judgement, but only the former aspect is captured by his account of intentionality. I will show that Brentano is able account for the informativeness of identity judgements.


Mauro ANTONELLI

(Universität Milano-Bicocca, Italien)

https://en.unimib.it/mauro-antonelli

Titel: Franz Brentano's Phänomenologie des Objekts

Auf den Spuren der "intentionalen Inexistenz"

Im Einklang mit früheren Arbeiten plädiert der Aufsatz für eine "kontinuistische" Deutung der Brentano'schen Intentionalitätsauffassung. Im Vergleich zu diesen früheren Arbeiten, die sich vor allem auf die Psychologie vom empirischen Standpunkt und auf die Deskriptive Psychologie (so wie sie in der Meiner-Ausgabe vorliegt) konzentrierten, werden in diesem Vortrag auch jene (meist aus unveröffentlichten Manuskripten stammenden) Passagen berücksichtigt, durch die einige Interpreten gegen die These der Kontinuität argumentiert haben. Insbesondere werden diejenigen Passagen eingehend diskutiert, in denen Brentano seine Deutung der Intentionalität dadurch verkompliziert, dass er zwischen Akt und Objekt den sog. Inhalt einführt und diesen mit dem immanenten Objekt zu identifizieren scheint. Darüber hinaus scheint Brentano in manchen Passagen hinsichtlich des Objekts zwischen dem Objekt als solchem, d.h. als Objekt und dem transzendenten, existierenden Objekt zu unterscheiden. Es wird dabei argumentiert, dass Brentanos Intentionalitätsauffassung auf einem komplexen Begriffsgefüge aufbaut, das in gewissen Kontexten nur in seinem Kernbestand, in anderen in seiner vollen Breite zum Einsatz kommt, je nach der Komplexität, die das jeweils berücksichtigte psychische Phänomen aufweist, und dem Blickwinkel, von dem aus dieses analysiert wird. Es wird zudem gezeigt, dass dieses komplexe Begriffsgefüge durch eine ausformulierte und komplexe Theorie bzw. Phänomenologie des Objekts analysiert wird, die im Rahmen der neoscholastischen Philosophie entwickelt wurde. Da sich der psychische Akt in unterschiedlicher Weise zu seinem Objekt verhalten kann, müssen verschiedene Arten und Rollen des Objekts unterschieden werden. In dieser Phänomenologie des Objekts findet Brentano ein Werkzeug, das es ihm ermöglicht, die aristotelischen Quellen der Intentionalität des Psychischen neu zu interpretieren - eine Interpretation, die in den Kommentaren und Auslegungen des Thomas von Aquin wurzelt, zugleich aber auch anderen mittelalterlichen Quellen einen Platz einräumt.

Johannes L. BRANDL

(Universität Salzburg, Österreich)

https://www.johannesbrandl.com/

Titel: Brentanos Begriff von Intentionalität: Ein Vorschlag für einen Neubeginn

Abstract: Die Beschäftigung mit Brentanos Begriff von Intentionalität folgte innerhalb der Analytischen Philosophie des Geistes lange Zeit der einflussreichen Deutung durch Roderick Chisholm. Demnach hat Brentano den Begriff der Intentionalität sowohl ontologisch als auch psychologisch verstanden, seine ontologische Auffassung später jedoch stark revidiert. Im Lichte der Kritik, die in den letzten Jahren an dieser Auffassung von Werner Sauer, Mauro Antonelli und Carlo Ierna geübt wurde, werde ich in diesem Vortrag dafür plädieren, einen Neu-Anfang in der Beschäftigung mit Brentanos Intentionalitätsbegriff zu wagen. Die leitende Idee wird sein, dass für Brentano Intentionalität im Fall sensorischer (rezeptiver) Phänomene primär ein immanentes Bewusstsein ist, während es im Fall von kognitiven (post-rezeptiven) Phänomenen primär ein transzendentes Bewusstsein ist. Damit erweist sich Brentanos Begriff von Intentionalität als ein Wegbereiter einer "zwei-Faktoren Analyse" von objektiven Repräsentationen, wie sie zuletzt von Kenneth Taylor in seinem Buch Referring to the World (OUP 2021) vorgeschlagen wurde.


Guillaume FRECHÉTTE 

(Universität Genf, Schweiz)

https://unige.academia.edu/GuillaumeFrechette


Titel:Homeless objects. Revisiting Meinong's theory of objects

Meinong's Gegenstandstheorie has been a source of perplexity since its publication in 1904. Why exactly did Meinong come up with the Gegenstandstheorie, what problems, if any, is the theory meant to solve? Discussions of the Gegenstandstheorie usually revolves around two of its central theses, the so-called principle of independence of being-so from being and the principle of indifference to being or non-being of objects. In short: Pegasus being a unicorn is independent from the being of unicorns (principle of independence) and while it may follow from Pegasus's nature that it doesn't exist, neither existence nor non-existence is part of Pegasus' nature (principle of indifference).

Meinong himself sometimes suggests that the second principle is motivated by our intuition that every presentation has an object, the same intuition which Russell explained away a year later in On Denoting. Soon enough, in the background of the Meinong-Russell dispute, the Gegenstandstheorie was considered mainly as an implausible and ontologically costly way of assessing that we can express true sentences about non-existent objects.

In this paper, I argue that this reading of the Gegenstandstheorie is based on a confusion between two claims made by Meinong: the claim that there are objects beyond being and non-being, which follows from the principle of indifference, and the claim that there are homeless objects, i.e. objects which don't belong to any already accepted scientific discipline. I suggest that Meinong's main arguments for the Gegenstandstheorie are attempts to defend the second claim, not the first claim. To support this suggestion, I propose a reconstruction of Meinong's arguments, with a particular attention to his argument on the homelessness of colours.

Joelma MARQUES DE CARVALHO 

(Universität Salzburg, Österreich)

https://uni-salzburg.elsevierpure.com/de/persons/joelma-marques-de-carvalho

Titel: Intentionale Inexistenz bei der visuellen Wahrnehmung

In Brentanos Intentionalitätstheorie müssen zumindest zwei Unterschiede erfasst werden, die eng miteinander verbunden sind: (a) zwischen psychischen und physischen Phänomenen und (b) zwischen äußerer und innerer Wahrnehmung (primärem und sekundärem Bewusstsein).

Dank dieser Unterschiede sind wir in der Lage, Brentanos Intentionalitätstheorie im Allgemeinen zu erklären. Seine Theorie umfasst aber ontologische, sprachliche, epistemische, phänomenologische und mereologische Aspekte. Falls eine dieser Perspektiven nicht behandelt wird, ist es schwierig zu einem Konsens zu kommen, wie Brentanos Theorie der intentionalen Inexistenz zu interpretieren ist. In diesem Vortrag werde ich Brentanos Theorie für den Fall einer echten Wahrnehmung durch diese verschiedenen Aspekte darstellen. Am Ende werde ich folgende Interpretation vorschlagen: Auf der einen Seite ist die intentionale Inexistenz ein Merkmal des Zielobjekts (also des physischen Phänomens) beim primären Bewusstsein. In diesem Fall ist das Physische ein Vorstellendes als solches oder das immanente Objekt. Auf der anderen Seite ist die intentionale Inexistenz eine Eigenschaft des Psychischen mit ihrem zweiten sprachlichen Korrelat oder Inhalt (das Vorgestellte als Vorgestelltes) beim sekundären Bewusstsein. In beiden Kontexten heißt "intentionale Inexistenz" so viel wie "vom Subjekt vorgestellt werden" und nicht "ein vermindertes Sein" im ontologischen Sinn.

Die psychische Beziehung besteht in keiner echten Relation. Egal ob das Zielobjekt des Psychischen in der Außenwelt ontologisch existiert oder nicht, hat das Psychische zwei sprachliche Inhalte, die sich voneinander nur mereologisch unterscheiden lassen, nämlich: (i) das immanente Objekt oder das Vorstellende als solches und (ii) das Vorgestellte als Vorgestelltes. 


Carlo IERNA

(Freie Universität Amsterdam, Niederlande) 

https://research.vu.nl/en/persons/carlo-ierna

Titel: Das Intentionale Objekt als Unding: Intentionalität ohne Gegenstände

"Intentionale Objekte" nehmen eine zentrale Stellung ein in den Debatten über Intentionalität bei Brentano und der Brentanoschule: Wie verhält sich das intentionale Objekt zum intentionalen Korrelat, zum Inhalt eines Aktes, oder zum intendierten (eventuell äußeren) transzendenten Objekt, wenn es nicht gar mit einem von diesen zusammenfällt? Es gab zu diesen Fragen zu Brentanos Zeit genauso wie heute keinen eindeutigen Konsens. Um eine neue Perspektive auf das Problem des intentionalen Objekts entwickeln zu können, die uns vielleicht einem Durchbruch näherbringen könnte, möchte ich eine bewusst radikale Interpretation und eine damit zusammenhängende terminologische Änderung vorstellen: Was wäre, wenn wir jegliche Rede von "Objekt" oder "Gegenstand" in diesem Kontext einmal ganz vermeiden würden?

Verschiedene Passagen aus Vorlesungen und Briefen Brentanos können für diesen Interpretationsversuch herangezogen werden, z.B. die Passage über die Bedeutung der Namen aus EL 80, wo Brentano "Inhalt" und "immanentes Objekt" als synonym verwendet; und der Brief an Marty vom 17-03-1905, in welchem immanente Objekte als die einzige Art von Objekt im eigentlichen Sinne bezeichnet werden; weiterhin PS 78 (59577) oder der Brief an Zimmermann vom 03-01-1890: "Eine Erscheinung verursachen und selbst erscheinen ist zweierlei". Also: statt "immanentes Objekt" können wir genau so gut von "Inhalt" sprechen, andere "Objekte" gibt es eigentlich nicht, und äussere Ursachen können nicht selbst als Gegenstände des Bewusstseins erscheinen. Dann müssen wir eben mit dem Inhalt allein auskommen können, um eine vollwertige Intentionalitätstheorie zu entwickeln. Bestenfalls fassen wir Teilinhalte zusammen zu vermeintlich äußeren Gegenständen, die aber bloß in uneigentlichem Sinn als Zielobjekt fungieren können, da sie ja im eigentlichen Sinne bloß Inhalte sind, d.h. bloß "als Phänomene wirklich bestehen" (Q 10).

Vielleicht könnten so die Ambiguitäten und Missverständnisse, die mit der Rede von "intentionalen Objekten" zusammenhängen, vermieden werden. In meinem Beitrag möchte ich einen solche Interpretationsversuch skizzieren, als weitere Ausarbeitung meiner früheren Versuche (Ierna 2012, 2015), und abwägen, ob dieser nützlich sein könnte, um die Debatte neu zu gestalten.

Hamid TAIEB

(Humboldt Universität, Berlin, Deutschland) 

https://www.philosophie.hu-berlin.de/de/forschung/drittmittelprojekte/ASensibleWorld/groupleader

Titel:Brentanians against Relationalism about Colours

The aim of my paper is to present the criticism by Brentano, Stumpf and Marty of the thesis that colours are relational entities, that is, that they could not exist without being perceived.

In the first part of the paper, I will follow the development of the thesis of the non-relationality of colours among Brentanians. The basic idea, found in Brentano and Stumpf, is that being-perceived is not a constituent of colours, and thus that it is not contradictory to talk of unperceived colours. Brentano later develops his position by distinguishing colours as such and colours as intentional correlates. Marty, whose view is the most detailed among Brentanians, holds that being-perceived is not a relational property of colours (or other sensory qualities), but what he calls a "relative determination", that is, a dispositional relational property: colours are necessarily perceivable, not necessarily perceived.

In the second part of the paper, I will try to figure out how Brentanians justify the thesis that colours are not relational to perception. Interestingly, the defense of this thesis is not based on their belief that colours do exist in the outer world independently of being perceived. On the contrary, these authors are non-realists about colours. The non-existence of colours, however, does not forbid Brentanians to make claims about their nature, for they hold that truths about colours, including the truth that colours are not relational, are accessible to us thanks to the grasp of the concept of colour. I will end the paper by emphasizing the value of a theory which is able to make claims about the nature of colours without positing them in reality.


Mark TEXTOR

(King's College, London )

https://www.kcl.ac.uk/people/mark-textor

Titel: What must Intentionality be if it shall be the most characteristic Mark of the Mental?

There is no shortage of characterisations and remarks about intentionality in Brentano's and the work of his students. Unfortunately this material allows different readings and some of it pulls into different directions. In my talk I aim to systematise Brentano's observations about intentionality by going back to the rationale for Brentano's appeal to intentionality in Psychologie. We need, Brentano started, to clarify the labels 'mental phenomenon' and 'physical phenomenon' by some means and the concept of intentionality is supposed to be the means to this end. More accurately: Brentano acknowledges that there are several marks of the mental, but intentionally is supposed to be the most characteristic ("am meisten kennzeichnet", Brentano) or most tangible ("greifbarste", Witasek) mark. After clarifying Brentano's ranking of the marks of the mental, I will go on and ask what properties the most characteristic mark of the mental must have and what properties it can lack. I will argue that the feature that is the most characteristic mark of the mental must be introspectible and be responsible or constitute an appearance of an object. The feature neither needs to be existentially neutral (contra Chisholm) nor does it need to possess partiality (Crane) or aspectual character (Crane/Searle). Particular kinds of intentionality or the intentional states of beings with particular powers may have these properties , but they are not part of the most characteristic mark of the mental. Hence, some debates about intentionality are ill-motivated. I will close the paper by re-introducing an overlooked challenge for the core characterisation of intentionality: a key-topic of 19th century psychology (see Johannes Müller, Hermann Lotze, E.H. Weber) is the so-called 'Gemeingefühl'. There are a number of reasons to say that Gemeingefühl is indeed non-intentional.



Philosophie an der KGW-Fakultät
 
Paris Lodron Universität Salzburg
Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät

Franziskanergasse 1
A-5020 Salzburg
  Austria 

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